Der Renaturierungspakt: Hilfe für die Natur

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Langer Kampf um „Green Deal“-Kernprojekt

Die EU-Staaten haben am Montag den Weg für eine lange umstrittene Verordnung zum Naturschutz freigemacht. Demnach sollen künftig in der Europäischen Union unter anderem Wälder aufgeforstet sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Der Renaturierungspakt kam letztlich nur dadurch zustande, dass Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP dafürstimmte. Für die EU ging es letztlich auch um Glaubwürdigkeit.

Online seit gestern, 17.6.2024, 19.31 Uhr https://orf.at/stories/3360978/

Über das Vorhaben wurde lange und intensiv gestritten. Die EU-Kommission hatte die Renaturierungsverordnung vor fast genau zwei Jahren vorgeschlagen. Nach offiziellen Angaben sind rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind demnach zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in schlechter Verfassung.

Die EU-Renaturierungsverordnung (Nature Restoration Law) ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets „Green Deal“, mit dem sich die EU das Ziel gesetzt hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. „Die Verordnung zielt darauf ab, den Klimawandel und die Auswirkungen von Naturkatastrophen einzudämmen“, teilten die EU-Staaten mit. Durch Renaturierung könnten etwa Überschwemmungsflächen zurückgewonnen und Hochwasserrisiken verringert werden. Das übergeordnete Ziel ist die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme.

ORF Sound 17.6.2024, 12.19 Uhr: Das steht im Renaturierungspakt

Die Verordnung verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Darauf hatten sich die Unterhändler und -händlerinnen der Mitgliedsstaaten bereits im November mit den Abgeordneten des Europaparlaments geeinigt. Insbesondere die Landwirtschaft sieht das Gesetz kritisch.

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„Die Zeit für politische und ideologische Argumente liegt hinter uns“, reagierte der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius und erinnerte daran, dass der Text die Biodiversitätsziele umsetzt, die 2022 auf der COP15 in Montreal angenommen wurden. Die spanische Ministerin Teresa Ribera sagte, die Staaten seien verpflichtet, den Kompromiss, den sie selbst mit dem Europäischen Parlament geschlossen hätten, zu bestätigen: „Es ist eine Frage der Kohärenz. Es wäre schwierig und sogar gefährlich für die Glaubwürdigkeit der Institutionen, einen Rückzieher zu machen“, warnte sie.

„Wenn wir es nicht schaffen, diese Verordnung anzunehmen, untergraben wir die Grundlage der EU“, sagte auch der tschechische Umweltminister Petr Hladik. „Wozu gibt es dann sonst noch Kompromisse? Das ist doch schon alles abgestimmt gewesen. Das muss darum angenommen werden.“

Das Ende des institutionellen Marathons wurde von einer Koalition von Umwelt-NGOs (BirdLife, ClientEarth, WWF, European Environmental Bureau) als „Wendepunkt für Natur und Gesellschaft“ begrüßt, wobei sie die Staaten dazu aufriefen, den Text „korrekt und unverzüglich“ umzusetzen.

Umwelt-NGOs sehen „historischen Fortschritt“

Sehr erfreut auf die Einigung reagierten auch die heimischen Umwelt-NGOs. Greenpeace sah in einer Aussendung einen „Meilenstein“, der WWF einen „historischen Fortschritt“ und Global 2000 ein „wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die Biodiversitätskrise und die Klimakrise“. Alle zollten Ministerin Gewessler Anerkennung. Der Umweltdachverband sprach von einer „richtigen und wichtigen Entscheidung“, die einen Wendepunkt für die „ökologische Abwärtsspirale in Europa“ bedeuten könne. Auch der einst der ÖVP nahestehende Österreichische Alpenverein (ÖAV) begrüßte den Beschluss des umstrittenen Gesetzes.

Im Gegensatz dazu verurteilte der Europäische Verband der Waldbesitzer durch seinen Vizepräsidenten „eine Gesetzgebung, die Überregulierung und Bürokratie bedeutet (…) und die Natur unter eine Glocke stellt“. Die größte deutsche Bauerngewerkschaft reagierte auf das Gesetz: „Man kann uns nicht von oben herab vorschreiben, wie wir unseren Betrieb zu führen haben: Wenn man glaubt, der Natur auf Befehl zu helfen, funktioniert das nicht.“

Auf Landwirtschaft Rücksicht genommen

Umweltorganisationen und eine Koalition großer Unternehmen hatten im vergangenen Jahr darauf bestanden, dass die Gesetzgebung entscheidend sei, um sowohl den Klimawandel als auch den Verlust der Natur zu bekämpfen. Doch der Plan verlor während der Verhandlungen etwas von seinem progressiven Charakter, da sich die größte Fraktion des EU-Parlaments, die EVP, heftig dagegen wehrte. Die EVP, zusammen mit anderen Konservativen und der extremen Rechten, bestand darauf, dass die Pläne die Ernährungssicherheit untergraben, die Inflation anheizen und den Landwirten schaden würden.

Bei der aktuellen Version wurde letztlich auf einige Kritikpunkte der Landwirtschaft Rücksicht genommen. So gilt bei der Wiedervernässung von entwässerten Torfgebieten für Landwirte und private Grundbesitzer die Freiwilligkeit. Ebenso können die Zielvorgaben für landwirtschaftliche Ökosysteme unter außergewöhnlichen Umständen ausgesetzt werden, wenn dadurch die Fläche stark verringert würde, die nötig ist, um genug Lebensmittel für die Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU zu erzeugen.

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