Verleumdung gegen Leonore Gewessler?

Strafanzeige gegen Leonore Gewessler
Eine PR-Aktion mit dem strengen Geruch der Verleumdung.

Von Sven Hartberger.

Die Denunziation von BM Leonore Gewessler als eidbrüchige Verletzerin des Verfassungsrechts und als Straftäterin verströmt überdeutlich den strengen Geruch von übler Nachrede (§ 111 StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB).

Dem Generalsekretär der ÖVP, Rechtsanwalt Dr.iur. Christian Stocker, und der karenzierten Richterin BM Mag. iur. Karoline Edtstadler, muss auf Grund ihrer juristischen Qualifikation klar sein, dass BM Gewessler die ihr unterstellte Straftat des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB nicht begangen hat. Aber selbst, wenn Herr Stocker tatsächlich ein so unfähiger und miserabler Rechtsanwalt, und Frau Edtstadler eine so ahnungslose und unqualifizierte Richterin sein sollte, dass sie das aus Eigenem nicht wissen, müssen es beide spätestens auf Grund der Belehrung begriffen haben, die ihnen von den Universitätsprofessoren Alois Birklbauer und Robert Kert am 17. Juni im Abendjournal auf Ö1 erteilt worden ist. Birklbauer hat dargelegt, dass schon das offenkundige Fehlen des Tatbestandselements der Wissentlichkeit das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs ausschließt. Kert hat erläutert, dass Amtsmissbrauch schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil ein Abstimmungsverhalten kein Akt der Hoheitsverwaltung ist, und aus diesem Grund niemals amtsmissbräuchlich geschehen kann.

Stocker versucht trotzdem, eine amtierende Bundesministerin als Verbrecherin zu brandmarken: „Es besteht der Verdacht, dass Leonore Gewessler rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt (VD-BKA) und gegen die Verfassung handelt – dies begründet Amtsmissbrauch“; Tatsächlich hat Gewessler weder ein Verbrechen begangen, noch hat sie gegen die Verfassung gehandelt, wie Stocker sehr gut wissen muss.

Erstens, weil der Verfassungsdienst eine nachgeordnete Dienststelle im Bundeskanzleramt ist, die den obersten Organen der Verwaltung keine Vorgaben zu machen hat und an dessen Rechtsmeinung Minister nicht gebunden sind. Zweitens, weil im konkreten Fall der vom VD-BKA geäußerten Rechtsmeinung der hässliche Hautgout einer bestellten Rechtsverdrehung anhaftet.

Darauf hat, in der feinen Sprache des Rechtsgelehrten und ohne diesen Vorwurf explizit zu erheben, der Staatssrechtler Univ.-Prof. Daniel Ennöckl aufmerksam gemacht. Im Getöse um den behaupteten Rechtsbruch der Umweltministerin ist das bisher untergegangen. Die von Prof. Ennöckl aufgedeckten Vorgänge wiegen aber schwer. Er merkt zu der fraglichen „Information für den Bundeskanzler zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur, Geschäftszahl: 2024-0.390.580 vom 24. Mai 2024”; das Folgende an: „Ich möchte festhalten, dass die im Informationsschreiben vom 24. Mai 2024 vorgenommene Auslegung durch den VD-BKA keinesfalls unvertretbar ist. Überraschend ist allerdings, dass der VD-BKA die damit vollzogene Abkehr von der bisherigen Praxis, die auf seinem eigenen Rundschreiben vom 7. März 2013 beruht, mit keinem Wort begründet und sich mit seiner bisherigen Auslegungslinie nicht auseinandersetzt“; Ennöckl führt weiter aus, dass die besseren Argumente klar gegen die neue und für die bisherige Rechtsauslegung des VD-BKA sprechen.

Der VD-BKA hat demnach drei Wochen vor der Abstimmung in Luxemburg plötzlich das Gegenteil dessen behauptet, was er davor elf Jahre lang vertreten hat, ohne den Anlass oder gar die Gründe für das Abgehen von seiner bisherigen Rechtsmeinung zu benennen, und ohne auf dieses auch nur hinzuweisen. Die Bundesministerin hat also nicht die „Vorgabe“ des VD-BKA „bedenkenlos weggewischt“ (Oliver Pink in „Die Presse“), sondern sich korrekter Weise an der lange Jahre hindurch vom VD-BKA mit seiner Expertise gestützten Rechtsauslegung orientiert, statt sich von der eilig zusammengezimmerten Schützenhilfe für die ÖVP-Position täuschen und einschüchtern lassen.

Der mit Recht hoch angesehene Doyen der österreichischen Verfassungsrechtler, Heinz Mayer, hat überzeugend gezeigt, dass auch der angebliche Rechtsbruch durch Missachtung des Länderbeschlusses nichts ist als parteipolitisches Geschwätz. Die Ministerin war auf Grund des von der ÖVP gegen sie ins Treffen geführten Art. 23d Abs. 2 B-VG nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die leichtgewichtigen Bedenken der Länder (schwierige Administration) gegen das höherwertige Rechtsgut (Erreichung der Klimaziele) abzuwägen. Im Sinne des Angemessenheitsgebots bei der Ermessensübung musste sie zwingend dem Umweltschutz den Vorrang geben und hat mit ihrem Stimmverhalten in Luxemburg ihre Amtspflicht also in vorbildlicher Weise erfüllt.

Auf die aus allen diesen Gründen fällige Entschuldigung von Nehammer, Edtstadler, Karner und Stocker kann man verzichten. Nicht verzichten kann der Rechtsstaat auf eine Erläuterung von Dr. Albert Posch, dem gegenwärtigen Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt. Gegen Herrn Posch besteht auf Grund seiner ÖVP-Karriere, höflich gesagt, der dringende Verdacht der Befangenheit in dieser Sache. Er wird zu erklären haben, wie genau es drei Wochen vor einer der ÖVP nicht genehmen Abstimmung auf EU-Ebene zu der erstaunlichen Kehrtwende des Dienstes gekommen ist, und wie die Äußerung der neuen, der ÖVP genehmen Rechtsmeinung, gegenüber der lange Jahre geltenden gegenteiligen Expertise des VD-BKA gerechtfertigt werden kann.

Nehammer, Edtstadler, Karner und Stocker können dieweil beruhigt mit der täglichen Begehung des Delikts der Üblen Nachrede gegen Leonore Gewessler fortfahren, in der Gewissheit, dass die Bundesministerin Besseres zu tun haben wird, als sich in Bassenaprozesse mit den Ehrabschneidern einzulassen.

Stocker indessen sollte ein wenig vorsichtiger sein mit der falschen Behauptung des Amtsmissbrauchs. Diese begründet den klaren Anfangsverdacht der Verleumdung nach § 297 StGB, dem die Staatsanwaltschaft auf Grund der Bestimmung des § 2 StPO auf Grund der öffentlich bekannten Tatsachen im Augenblick der tatsächlichen Einbringung der Strafanzeige gegen die Bundesministerin von Amts wegen nachzugehen verpflichtet ist.

Aus: https://www.falter.at/seuchenkolumne/20240622/fall-gewessler-wer-hier-die-rechtsbrecher-sind?utm_source=emailCampaign&utm_medium=Falter%20Newsletter&utm_campaign=%E2%80%9EFall%E2%80%9C+Gewessler%3A+Wer+hier+die+Rechtsbrecher+sind.&utm_content=

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