
Warum ein Jesuitenpater in den zivilen Widerstand geht und gemeinsam mit Mitgliedern der „Letzten Generation“ als Klimaaktivist die Gesellschaft wachrütteln möchte. Ein Interview mit Pater Jörg Alt, der erklärt, dass Beten alleine in der Klimakrise nicht reichen wird.
Für den deutschen Jesuitenpater Jörg Alt und den oberösterreichischen HTL-Maturanten Jonas Seyr ist eines klar: Die Zeit, um die von der Politik gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen, läuft ab. Das „Klimakleben“ auf Autostraßen mit Staus als Folge bezeichnet der Sozialwissenschaftler Alt als notwendigen symbolischen Akt, sich der fahrlässigen Säumigkeit der Politik buchstäblich in den Weg zu stellen. Geht der Kohlendioxid-Ausstoß im bisherigen Ausmaß weiter, steuert die Welt auf eine Katastrophe zu, alarmiert der junge Klimaaktivist der „Letzten Generation“.
Die globale Erderwärmung bis 2100 unter 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, ist aktuell das wichtigste Klimaziel. Eine neue Studie der Universität Stanford sagt, dass die Grenzen schon weitaus früher erreicht werden. 1,5 °C bereits in den 2030ern und die Schwelle 2,0 °C mit 2060. Wie geht es Ihnen mit solchen Prognosen?
Jörg Alt: Das 1,5-Grad-Ziel schaffen wir sowieso nicht mehr. Also, kein seriöser Wissenschaftler glaubt mehr daran. Mit ganz viel Glück gelingt uns vielleicht noch das 2-Grad-Ziel. Aber wenn man schaut, was die Regierungen der Welt tun, sind wir gerade auf Kurs in eine 2,7 bis 3 Grad heißere Welt.
Quelle: https://www.dersonntag.at/artikel/klimakleben-als-letzter-aufschrei/
Wie sind Sie selbst zum Klimaaktivisten geworden? Wie sind Sie zur Gruppe der „Letzten Generation“ gekommen? Was hat Sie wachgerüttelt?
Jonas Seyr: Wachgerüttelt ist der richtige Begriff dafür. Ich habe mich mit dem Thema „Klimawandel“ in den Herbstferien vergangenen Jahres näher beschäftigt. Ich war schockiert, dass ich immer geglaubt habe, dass wir daheim ökologisch sehr viel richtig machen. Ich glaubte bis vor Kurzem, dass ich zu den Menschen gehöre, die das Klima nicht so stark beeinflussen. Das stimmt überhaupt nicht. Jeder und jede von uns ist speziell in Österreich eine sehr große Belastung für das Klima. Wir müssen etwas Drastisches ändern, auch individuell bei uns im Lebensstil.
Jörg Alt: Es gibt einen schönen Spruch von UN-Generalsekretär Antonio Guterres: „Normalerweise werden Klimaaktivisten als gefährliche Radikale bezeichnet, weil sie Gesetze brechen und Straftaten begehen. Aber die eigentlich Radikalen sind jene, die weiterhin fossile Energien verwenden und natürlich auch noch mit Steuergeldern subventionieren.“
Pater Alt, Sie sind schon sehr lange politisch aktiv in verschiedenen Etappen Ihres Lebens. Warum sind Sie jetzt Unterstützer von der „Letzten Generation“ und blockieren Straßen?
Jörg Alt: Ich habe jahrzehntelang für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit gearbeitet, war dabei auch sehr erfolgreich und habe viele Auszeichnungen bekommen. Aber die „Fridays for Future“ haben mir deutlich gemacht, wie ernst die Situation ist, wenn wir auf Klimakipppunkte zusteuern und dadurch irreversibel in ein Stadium kommen, das in vielen Bereichen der Welt das Leben von Menschen nicht mehr möglich macht. Der Hungerstreik von jungen Menschen hat mir klargemacht, dass uns die Zeit ausgeht, also dass bis 2025 Weichen gestellt werden müssen oder eben nicht gestellt werden, die über unsere Zukunft entscheiden. Wenn wir das verstehen, dass wir nur noch so wenig Zeit haben, kann man nicht so weitermachen wie die letzten 40 Jahre, weil das alles nichts gebracht hat. Sondern man muss sich überlegen, wie man diese Gefahr, die auf uns zukommt, so in den öffentlichen Raum stellt, dass sie nicht weiter ignoriert werden kann.
Quelle: https://www.dersonntag.at/artikel/klimakleben-als-letzter-aufschrei/
