Fünf revolutionäre Vorschläge gegen den zukünftigen Hunger

Deutschlands unabhängiger Umweltbeirat WBGU hat starke notwendige Vorschläge für Ernährungssicherheit und damit gegen den zukünftigen Hunger, der auch in Europa droht, ausgearbeitet.

  1. RENATURIERUNG: Die Renaturierung von Landökosystemen sollte massiv ausgebaut werden. Renaturierung von 350 Mio. Hektar degradierter Landfläche bis 2030 sollte nicht nur erreicht, sondern deutlich erweitert werden. Dadurch Entfernung von CO2.
  2. SCHUTZGEBIETE: Effektive, vernetzte Schutzgebietssysteme entschärfen die Biodiversitätskrise. Die Schutzgebietssysteme sollten auf 30% der Erdoberfläche ausgeweitet werden. Ohne Biodiversität bringt der Boden keine Früchte.
  3. VIELFÄLTIGE LANDWIRTSCHAFT: Die Förderung einer auf Vielfalt beruhenden Landwirtschaft hilft gegen die Zerstörung der Böden. Abkehr von der industriellen Landwirtschaft. Verschiedene Pflanzen und Tiere sind die Grundlage für landwirtschaftliche Früchte.
  4. KEINE TIERPRODUKTE: Transformation der Ernährungsstile in den Industrieländern, insbesondere durch die Verringerung des Anteils an Tierprodukten (Fleisch, Milchprodukte). „Planetary Health Diet“: Ernährungsleitlinien. Auf mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU wächst Tierfutter.
  5. BAUEN MIT HOLZ: Ausgestaltung der Bioökonomie: Es sollten Anwendungen bevorzugt werden, bei denen Biomasse  – und damit auch der enthaltene Kohlenstoff – lange gespeichert wird: Das Bauen mit Holz. Damit wird Kohlenstoff (CO2) gespeichert und die Erhitzung verhindert.

Land ist ein globales Gemeingut: Die Menschheit muss Gestaltungsverantwortung für das Land übernehmen, um Klimaschutz, Biodiversitätserhaltung und Ernährungssicherung zu ermöglichen, und diese national umsetzen sowie international durchsetzen. Im Zentrum sollte stehen, die Zerstörung der terrestrischen Ökosysteme zu beenden und massiv in ihre Erhaltung und Renaturierung zu investieren. Ein weltweit nachhaltiger Umgang mit Land ist Voraussetzung für die Einhaltung planetarischer Leitplanken und die Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Ein integrierter Umgang mit Land, der die multiplen Ziele zusammendenkt und, wo möglich, auf ein und derselbe Fläche realisiert, kann zur Überwindung der Konkurrenzen beitragen.

Dafür hat der WBGU beispielhaft fünf Mehrgewinnstrategien entwickelt (Abbildung):

  1. Die Renaturierung von Landökosystemen sollte massiv ausgebaut werden. Das im Rahmen der Bonn Challenge gesteckte Ziel der Renaturierung von 350 Mio. Hektar degradierter Landfläche bis 2030 sollte nicht nur erreicht, sondern deutlich erweitert werden. Hierbei sollte die Wiederherstellung biodiverser und standortgerechter Wälder, Feuchtgebiete und Graslandschaften im Vordergrund stehen, um gleichzeitig einen Mehrgewinn durch die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre zu erzielen. CO2-Entfernung aus der Atmosphäre ist allerdings kein Ersatz für die notwendige massive Reduktion von CO2-Emissionen und sollte daher in Klimaschutzstrategien nicht in einem pauschalen Klimaneutralitätsziel gegen CO2-Minderung aufgerechnet werden, sondern unabhängig von dieser verfolgt werden.
  2. Effektive, vernetzte Schutzgebietssysteme bilden das Rückgrat des Ökosystemschutzes. Ausweitung und Aufwertung der Schutzgebiete sind entscheidende Voraussetzungen dafür, die globale Biodiversitätskrise zu entschärfen. Die terrestrischen Schutzgebietssysteme sollten auf 30% der Erdoberfläche ausgeweitet werden, unter konsequenter Anwendung international vereinbarter Qualitätskriterien. Auch dies trägt im Sinne eines Mehrgewinns zum Klimaschutz bei und erhält langfristige Potenziale für die Ernährungssicherung.
  3. Die Förderung einer auf Vielfalt beruhenden Landwirtschaft ist eine weitere Mehrgewinnstrategie, mit der die globale Landwende gelingen kann. Für die EU-Agrarpolitik sollte eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft durch ihre umfassende Ökologisierung vorangetrieben werden. Damit werden gleichzeitig Ernährungssicherung, Klimaschutz und Erhaltung der Biodiversität gefördert. Am Beispiel Subsahara-Afrika wird gezeigt, wie Diversifizierung zu einer nachhaltigen Produktionssteigerung führen kann. Auch der globale Agrarhandel kann so ausgerichtet werden, dass er Mehrgewinne befördert.
  4. Ein vielversprechendes Potenzial, um den Druck auf die Landökosysteme zu entschärfen, liegt in der Transformation der Ernährungsstile in den Industrieländern, insbesondere durch die Verringerung des Anteils an Tierprodukten. Eine Orientierung an der „Planetary Health Diet“ sollte als Grundsatz in Ernährungsleitlinien verankert und auch seitens der Bundesregierung empfohlen werden.
  5. Bei der Ausgestaltung der Bioökonomie sollten Anwendungen bevorzugt werden, bei denen Biomasse  – und damit auch der enthaltene Kohlenstoff – lange gespeichert wird. Das Bauen mit Holz ist ein Beispiel für effektive Möglichkeiten, langfristig Kohlenstoff zu speichern. Das Holz dafür muss aber aus standortgerechter, nachhaltiger Waldwirtschaft stammen. Dazu sollte mit internationalen Partnern eine weltweite „Mission nachhaltiges Bauen“ initiiert und mit der EU-Initiative für ein „neues europäisches Bauhaus“ verknüpft werden.

Fünf Governance-Strategien für die globale Landwende

Für die Umsetzung der fünf Mehrgewinnstrategien müssen viele Akteure einbezogen werden. Denn Land hat den Charakter eines globalen Gemeinguts: Es erfordert, dass die Menschen weltweit Verantwortung übernehmen um gesunde und produktive Ökosysteme zu erhalten, die letztlich die Lebensgrundlage für uns alle sind:

  • Erstens sollten Pionier*innen des Wandels unterstützt werden: Menschen und Institutionen, die neue Formen nachhaltiger Landnutzung ausprobieren, praktizieren und als Vorreiter verbreiten.
  • Zweitens sollten Staaten Rahmenbedingungen schaffen, um die weitere Zerstörung der Ökosysteme durch nicht nachhaltige Landnutzung zu verhindern. Das können preisliche Anreize sein, Nachhaltigkeitsstandards oder Subventionen für nachhaltige Landnutzung. Gleichzeitig sollten der Schutz und die Renaturierung von Ökosystemen gesellschaftlich honoriert werden.
  • Drittens sollte die Europäische Union im Rahmen des European Green Deal eine Landwende zur Nachhaltigkeit vorantreiben – umso mehr nach den enttäuschenden Ergebnissen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Die GAP sollte zu einer GÖP – einer Gemeinsamen Ökosystempolitik – weiterentwickelt werden.
  • Viertens sollte die internationale Zusammenarbeit beim Umgang mit Land verbessert und ein „Global Land Summit“ als gemeinsame Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konventionen zu Klima, Biodiversität und Desertifikation einberufen werden.
  • Fünftens empfiehlt der WBGU, zur Verstärkung bereits bestehender internationaler Anstrengungen neue Kooperationsgemeinschaften durch gleichgesinnte Staaten bzw. subnationale Regionen zu bilden und dabei neue Formen der multilateralen Zusammenarbeit anzuwenden.
    •  Dies können z.B. regionale Gemeinschaften sein, die einen integrierten Landschaftsansatz auch über Grenzen hinweg umsetzen. Regionale Gemeinschaften subnationaler Regionen können z.B. regionale Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungsketten etablieren, sie können bestehende Biosphärenreservate zu Vorreitern integrativer Landschaftsräume weiterentwickeln oder regionale Innovationshubs für nachhaltige Anbaumethoden gründen.
    •  Ein anderes Modell für eine neue Kooperationsgemeinschaft ist eine weltumspannende supranationale Gemeinschaft gleichgesinnter Staaten, die sich für eine globale Landwende zusammenschließen.
    •  Und schließlich schlagen wir die Gründung von Bewahrungsgemeinschaften für wertvolle Ökosysteme vor. Staaten sowie private Akteure schließen sich dabei mit dem Ziel zusammen, wertvolle Ökosysteme in Drittstaaten zu erhalten, wiederherzustellen und auch gemeinsam zu pachten. Diese Drittstaaten sollten auch Teil der Bewahrungsgemeinschaft sein.

Quelle: Hauptgutachten des WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: „Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration
Nur wenn sich unser Umgang mit Land grundlegend ändert, können die Klimaschutzziele erreicht, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nachhaltig gestaltet werden.

Quelle: https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende

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