
Die Diskussion begann, als Josef Christian Aigner in der Furche gegen die Elektromobilität als Allheilmittel gegen die Klimakrise anschrieb. (Furche 32, 2024), Dagegen schrieb Johannes Schmidl eine Replik.
Josef Christian Aigner „erhebt in seinem Artikel den Vorwurf, die Elektro-(Auto-)Mobilität werde engstirnig als Allheilmittel zur CO₂-Reduktion gepriesen, demgegenüber bleibe die Gesellschaft gänzlich unaufgeklärt über die Schattenseiten der für die Akkus in den Elektroautos notwendigen Lithiumproduktion. Elektromobilität ist ein Element im großen Technologie- und Methodenkoffer, mit dem man die Klimakrise eindämmen und letztlich verhindern will. Sie ist sicher kein „Allheilmittel“, wie es Aigner in den Raum stellt, genauso wenig wie Windenergie, Geothermie, Pelletsheizungen, Photovoltaik usw. eines sind. Niemand behauptet ernsthaft, ein „Allheilmittel“ gegen die Klimakrise zu haben.“
„Etwa die Hälfte der weltweit als Benzin, Diesel, Kerosin usw. verbrauchten Erdölprodukte wird im Straßenverkehr verwendet. Die global tätigen Ölkonzerne, von Saudi Aramco bis ExxonMobil, die diesen Treibstoff produzieren, setzen circa 10 Mrd. US-Dollar um – pro Tag. Es lässt sich leicht vorstellen, wie sie dazu stehen, wenn eine Innovation wie die Elektromobilität droht, ihnen mittelfristig ihren Umsatz zu halbieren. Da kommt die Botschaft, der Lithiumbergbau sei nicht umweltfreundlich und halte rechtsstaatliche und ökologische Standards nicht ein, gerade recht
Die Herausforderungen der Elektromobilität
Die Internationale Energieagentur erkennt in den Batteriespeichern ein wichtiges und kritisches Element der Energiewende, sowohl für die Kraftwerke als auch für den Transportbereich. Die Kosten für Batteriespeicher sind seit 2010 um circa 90 Prozent gesunken. Hier wird eine Technologie allmählich weltweit substanziell – und damit zu einer realen Gefahr für das fossile Energiesystem.
Man kann die vom Autor festgestellte „beabsichtigte Uninformiertheit“ zu mildern versuchen: Vergleicht man die jährliche Welterdölproduktion mit der Größe eines Fußballfeldes, entspricht der Welt-Lithiumbedarf pro Jahr der Fläche der beiden Elfmeterpunkte. Durch die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas deponieren wir Jahr für Jahr CO₂ mit einer Masse von etwa dem 20-fachen der jährlichen Welt-Stahlproduktion in unserer Atemluft. Jedes Jahr. Wir wissen, welche Folgen das hat und noch haben wird.
Erneuerbare Energien und ihre Herausforderungen
Aber klar, auch die Produktion von Lithium ist nicht umweltfreundlich. Wenn man möchte, findet man Gegenargumente zu jeder Technologie, mit der man fossile Energieträger ersetzen kann: Windkraftwerke erzeugen zwar CO₂-frei elektrische Energie, aber werden von ihnen nicht auch Vögel erschlagen? Photovoltaik liefert ebenfalls klimaneutralen Strom, aber wer redet von der Versiegelung der Landschaft durch die Module, geschweige denn von den unhaltbaren Produktionsverhältnissen in China? Sind diese Technologien wegen der „gänzlichen Unaufgeklärtheit der Bevölkerung über ihre Schattenseiten“ alle „zynische Scheinlösungen“?
Windkraftwerke erzeugen zwar CO₂-frei elektrische Energie, aber werden von ihr nicht auch Vögel erschlagen?
Josef Christian Aigner tritt mit seiner Argumentation in die Idealvergleichsfalle. Seine Hinweise sind zwar nicht grundsätzlich falsch, der Lithiumabbau ist tatsächlich ökologisch häufig nicht in Ordnung. Aber das Problem ist bekannt und man arbeitet weltweit an Lösungen, wie man auch daran arbeitet, Lithium, das in den Akkus ja nicht verbraucht wird, in die Kreislaufwirtschaft zu führen. Das Recycling funktioniert noch unbefriedigend, aber es ist prinzipiell möglich, wie es auch andere Technologien zur Akkuproduktion gibt, die ganz ohne Lithium auskommen werden.
Auch einige der Einwände gegen Windenergie und Photovoltaik stimmen, ebenso wie solche, die gegen Pelletkessel, Geothermie und alle anderen Lösungen der Klimakrise vorgebracht werden. Es gibt auch zu jeder dieser Technologien Bücher und Filme, die auf deren vermeintliche Nachteile fokussieren, um zu zeigen, dass sie jeweils keine „Allheilmittel“ gegen die Klimakrise seien.
Nur sind die Probleme der fossilen Energieträger, die von den erneuerbaren allmählich ersetzt werden, um Größenordnungen schlimmer. Mit ihnen sind wir wirklich auf dem Weg in die Klimakrise, in Richtung Bedrohung der Ernährungs- und Ökosysteme, begleitet von wirtschaftlicher und politischer Instabilität.
Nicht alle Nachteile wiegen gleich schwer
Jede noch so vorteilhafte Technologie scheitert beim Vergleich mit einem hypothetischen Idealzustand. Zieht man daraus den Schluss, alle technologischen Lösungen seien im Prinzip gleich schlecht, weil sie das Ideal nicht erreichen, macht man nicht nur einen logischen Fehler, man tappt auch in die Idealvergleichsfalle. Wenn etwas Nachteile hat, ist es noch nicht falsch, und nicht alle Nachteile wiegen gleich schwer. Fossile Energie wird nie Teil einer nachhaltigen Energieversorgung sein, Elektromobilität jedoch schon. Man kann Aigner zustimmen, wenn er „weniger Autoverkehr zum Wohl von Umwelt und Menschen“ fordert. Auch dazu gibt es gute Ansätze in der politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen – und auch dagegen gibt es Widerstand, wie gegen Elektromobilität, Windenergie usw. Mit „weniger Autoverkehr“ wird man das Verkehrsproblem aber nicht lösen. Auch das ist leider kein Allheilmittel.“
Der Autor Johannes Schmidl ist Physiker, Energieexperte, Buchautor und arbeitet für den Dachverband Erneuerbare Energie Österreich.
Dieser Artikel ist im Original unter dem Titel „Der logische Fehler ist die Idealvergleichsfalle“ am 21. August 2024 erschienen.
Nachtrag: Ulrike Baumgartner-Gabitzer schrieb schon am 27.8.2009 in der Furche positiv über die Zukunft das Elektroautos.
